Juist Juni/Juli 2025

31.07.2025

Marines Getier

Obwohl ich fast fürchtete, wir würden Ende Juni keine Atelecyclus undecimdentatus Überreste mehr antreffen, war mein Vater zum Glück in der Lage noch einen einzelnen kleinen Panzer aufzutreiben. Aber unsere Sammlung wurde tatsächlich nicht um nur eine Krabbe reicher, sondern gleich um zwei: der relativ schlechte Zustand der Panzer hinderte mich nicht daran, unter den endlosen Strand- und Schwimmkrabben zwei Samtkrabben (Necora puber) zu finden. Dabei war ich eigentlich auf der Suche nach Australischen Seepocken (Austrominius modestus), die ich bisher auf Juist nur auf den Rücken anderer Krebstiere angetroffen habe.

Goodallia triangularis, außen Goodallia triangularis, innen

Diesmal waren unsere Lieblingsstellen die enormen Ansammlungen an Bäumchenröhrenwurmröhren. Ursprünglich hatte ich vor diese nur nach Linsenmuscheln und anderen Winzlingen zu untersuchen, die ab und zu inkorporiert werden, doch wie sich herausstellte, boten diese Strandabschnitte auch hervorragende Jagdgründe für Plattfußkrabben (Portumnus latipes), Maskenkrebse (Corystes cassivelaunus), und Schnecken aller Art. So nahmen wir aus diesem Urlaub mehr Treppengiebelchen als je zuvor mit nach Hause. Weitere Höhepunkte waren unsere allererste Sandkornastarte (Goodallia triangularis, Bilder rechts), die meiner Mutter prompt mit dem Verpackungsmaterial verloren ging, und eine kleine soweit unidentifizierte Muschel, die nichts bisher in unserer Sammlung vorhandenem gleicht. Ihr Zustand lässt vermuten, dass es sich um ein Fossil handelt, was das Identifizieren noch schwieriger macht, als es ohnehin schon gewesen wäre.
Eine Schale, die meine Mutter unter der Vermutung dass es sich um eine Linsenmuschel (Tellimya ferruginosa) handeln würde, aufhob, stellte sich als ein weiteres Mysterium heraus: während ihr Schloss durchaus dem einer Linsenmuschel ähnelt, besitzt sie eindeutig eine Mantelbucht! Unsere beste Theorie soweit ist, dass es sich um eine Thracia/Spatelmuschel handelt.

Die erst kürzlich hier fest etablierte Ottermuschel (Lutraria lutraria) ist mittlerweile zum Standardfund geworden. Ihre porzellanartigen Schlösser lassen sich von der Niedrig- bis zur Hochwasserlinie finden, und auch kleine, vielmals sogar noch zusammenhängende, Exemplare sind nicht mehr selten. In vorherigen Jahren musste man für eine gute Ottermuschel noch ans Inselende radeln oder mit viel Geduld oben an der Dünenkante herumstapfen! Die vergleichsweise hohe Dichte an kleinen Muscheln mag eine Saisonserscheinung sein, ich bezweifle allerdings, dass man die Art am Juister Strand jemals wieder als rar bezeichnen werden kann.
Unsere heimische Teppichmuschel (Venerupis corrugata) allerdings mag sich diesem Status nähern. Fast alle Exemplare aus diesem Juni/Juli sind kleine, helle Doppelklappen. Gut aussehende erwachsene Muscheln gab es auffallend wenige zu finden.

Unter anderem, weil nicht-Vögeln der Zugang zum Kalfamer in den Sommermonaten verwehrt ist, können wir mit relativ wenigen größeren fossilen Muscheln (Laevicardium crassum, Acanthocardia echinata, etc.) prahlen. Was hingegen Artemismuschel (Dosinia exoleta, siehe sidebar) angeht, haben wir uns förmlich mit Ruhm bekleckert. Mit zwei Schlössern, einer intakten fossilen Schale und einer kleine rezenten Dosinia haben wir einen persönlichen Rekord hingelegt.

Letztlich habe ich unsere vierte Dreieckige Herzmuschel (Parvicardium exiguum), meine Mutter wahrscheinlich unsere erste nicht-Amerikanische Schwertmuschel, und mein Vater ein Schloss, das verdächtig nach Mactra glauca aussieht, gefunden.

Unsere vermutete Große Schwertmuschel (Ensis siliqua) links.


Landlebendes

Die diesmal auffälligsten Landbewohner waren die zahlreichen Graugänse und die Jakobskrautbärraupen, die über die Strandpromenade und angrenzende Wegen galoppierten. Einen ausgewachsenen Falter haben wir leider noch nie gesehen, aber meine Mutter fragte sich schon seit mehreren Jahren, worum es sich bei den grell rot-schwarz geringelten Raupen handelte. Das Internet gibt Rat, obwohl die Antwortfindung wesentlich schneller von der Bühne gegangen wäre, hätte der Beachexplorer eine Kategorie für Raupen und nicht nur die Imagos.

Obwohl die größeren Mantelmöwen am Strand überwiegen zu scheinen, so sieht man doch innerhalb des Hauptortes weiterhin hauptsächlich Silbermöwen. Die kleineren Vögel sind eben mutiger - auf jeden Fall aggressiver im Umgang mit unvorsichtigen Urlaubern. Auch dieses mal durften wir mehrere Attentate auf die mitgeführten Lebensmittel von Passanten beobachten.

Uns beschleicht so langsam die Vermutung, dass es sich bei allen auf der Insel gesichteten Türkentauben um das selbe Pärchen handelt.

Meine Mutter lässt anmerken, dass 2025 ein 'ausgesprochenes Königskerzenjahr' sein muss.

Ruditapes philippinarum

Schon beim ersten Strandgang merkten wir dieses mal, dass man alle paar Meter über eine Manila-Teppichmuschel (Ruditapes philippinarum) stolpern konnte. Diese waren fast alle relativ frische mittelgroße Doppelschalen, und wie im vorhergehenden Jahr von der eher langgezogeneren Wuchsform. Und zwar so langgezogen, dass man ausgeblichene Exemplare fast mit Venerupis corrugata verwechseln könnte. Ich fürchte unsere heimische Teppichmuschel mag dabei sein, sich in tieferes Wasser zurückzuziehen, wo die neuen Konkurrenten sich nicht wohl fühlen. So froh ich bin, dass sie das Problem so umgehen können, so enttäuscht bin ich auch in Zukunft weniger V. corrugata finden zu können!

Ihre diesjährige Expedition ins Watt am Hafen war vergleichsweise kurz, doch meine Mutter meldet keine einzige Ruditapes aus dem Watt bis auf die alt-toten, die eine Wattwanderungsgruppe kurz zuvor ausgegraben und liegen gelassen hat. Sie scheinen sich überraschenderweise also auf der Strandseite der Insel wohler zu fühlen, was vermutlich schlechte Nachrichten für Zugvögel sind.
Auch in den höchsten Ablagerungen am Strand kann man den Neozoen nicht mehr entkommen.

Ruditapes philippinarum links, Venerupis corrugata rechts.
Sie scheinen einander fast immer ähnlicher zu werden...

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